GURS 1940
DIE DEPORTATION UND ERMORDUNG VON SÜDWESTDEUTSCHEN JÜDINNEN UND JUDEN
Am 22. Oktober 2020 sollte zum Gedenken an die mehr als 6500 Jüdinnen und Juden, die 80 Jahre zuvor aus Südwestdeutschland nach Gurs deportiert worden waren, eine Ausstellung zeitgleich in Berlin und Stuttgart eröffnet werden. Sie war vom baden-württembergischen Kultusministerium als Projektauftrag an das Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin vergeben worden. Coronabedingt musste der Termin jedoch verschoben werden und konnte erst ein halbes Jahr später am 7. April 2021 stattfinden, und auch das nur digital.
Die Ausstellung kann zu gegebener Zeit, wenn Ausstellungsräume wieder für Besucher*innen öffnen dürfen, in Präsenz besucht, bis dahin aber auch in digitaler Form, zum Beispiel von Schulen, für ein eigenes Ausstellungsformat genutzt werden.
Ab sofort stehen schon sämtliche Materialien unter dem Link www.gurs1940.de zur Verfügung. Unter der Überschrift "Vertiefung" gibt es hier bereits didaktische Materialien, an deren Erstellung u.a. auch das Yad Vashem Team beteiligt war. Außerdem ist eine digitale Lehrerhandreichung in Vorbereitung, die Lehrerinnen und Lehrer bei der Vorbereitung einer Führung durch die Ausstellung unterstützen soll, zum Beispiel etwa nach dem Prinzip "Schüler*innen führen Schüler*innen".
Einen tieferen Einblick in das Ausstellungskonzept liefert auch der beigefügte Kurzbericht der Kuratoren, die Pressemitteilung und die didaktische Broschüre.
GURS 1940
EINE AUSSTELLUNG MIT VIELEN PARTNER*INNEN
Am 22. und 23. Oktober 1940 wurden Tausende Jüdinnen und Juden aus Baden und der Saarpfalz in den unbesetzten Teil Frankreichs deportiert. Offizielle Quellen sprechen von 6.504 Menschen. Die Zahl lag sicherlich höher. Dies war eine der ersten organisierten Verschleppungen von jüdischen Deutschen aus ihrer Heimat, initiiert von den regionalen nationalsozialistischen Verantwortlichen, den Gauleitern. Erst ein Jahr später begannen die systematischen Deportationen aus dem gesamten Deutschen Reich in den Osten. Die französischen Behörden leiteten die Transporte in das Lager Gurs, am Fuße der Pyrenäen, im Herzen des heutigen Departements Pyrénées-Atlantiques. Einigen der Deportierten gelang von dort die Flucht, mehr als Tausend starben in den kommenden Jahren auf-grund der katastrophalen Lebensbedingungen. Zwischen 1942 und 1944 organisierten SS und Polizei die Deportation der Internierten nach Auschwitz-Birkenau und Sobibor, wo fast alle ermordet wurden. An diese Verbrechen und ihre Nachgeschichte erinnert unsere Ausstellung. Sie bettet regionale Geschichte in deutsche, französische und europäische Abläufe ein und nimmt Betroffene, aber auch Täter*innen, Umstehende und Nutznießende in Deutschland und Frankreich aus verschiedenen Perspektiven in den Blick. Sie erzählt, wie dieser Verbrechen gedacht wurde und wird. Diese Ausstellung ist keineswegs die erste zu diesem Thema. Doch versucht sie bewusst Brücken zwischen nationalen Narrativen zu schlagen und möchte damit einen Beitrag zu einer integrierten und integrierenden europäischen Erzählung über Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung von Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus leisten. Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Sie ist in der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz in Kooperation mit vielen Partner*innen aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Frankreich sowie dem Auswärtigen Amt entstanden. Unsere Partner*innen – das sind kleinere und größere Erinnerungs-initiativen, Archive sowie Landeszentralen und Landesverbände – beteiligten sich in einem offenen Dialog aktiv am Projekt. Sie haben uns auf relevante Quellen ebenso wie auf Unausgewogenheiten hingewiesen. Ihnen eine Stimme zu geben, war uns besonders wichtig. In lokalen Einzelausstellungen präsentierten sie eigens konzipierte Inhalte, die als Ergänzung und Weiterführung der Kernausstellung dienten und die in einer die Ausstellung begleitenden Webseite zusammengefasst wurden. Für ihren Einsatz danken wir ihnen sehr.
Ohne die Mithilfe zahlreicher Unterstützer*innen wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen.
Insbesondere den folgenden Personen möchten wir herzlich danken: Julien Acquatella, Jérôme Aubignat, Sophie Bachmann, Uwe Bader, Regina Bender, Brigitte und Gerhard Brändle, Ulrich Burkhart, Caroline Deleu, Andrea, Bastian und Christine Fröhner, Sabine Graf, Matthias Hass, Torsten Jugl, Iris Kessler, Claude Laharie, Olivier Lalieu, Heidemarie Leins, Andreas Mix, Stefan Mörz, Roland Paul, Ruth Preusse, Fabienne Regard, Irmela Roschmann, Walter Rummel, Jürgen Schaser, Jürgen Schuhladen-Krämer, Rolf Schmitt, Paul Selinger, Monika Sommerer, Eike Stegen, Jürgen Stude, Romain Tiquet, Christiane Walesch-Schneller, Guilhem Zumbaum-Tomasi und Jenny Wolf! Außerdem danken wir den Mit-gliedern des „Kuratorium zur Pflege und Instandhaltung der Gräber der nach Frankreich deportierten jüdischen Bürgerinnen und Bürger“. Für ihre Gutachten danken wir Michael Martin und Michael Wildt. Eine umfassende Dokumentation aller Objekte und Texte – inklusive der Tafeln unserer Partner*innen – ist auf unserer Webseite www.gurs1940.de zu finden. Die Broschüre bildet nicht die gesamte Ausstellung ab, sondern konzentriert sich auf zentrale Objekte und diskutiert ausgewählte, wichtige Fragen, die in der Ausstellung aus Platzgründen nicht berücksichtigt werden konnten.
Christoph Kreutzmüller, Jennifer Heidtke & Kerstin Stubenvoll